Walk of Life WEG - Walk of Life

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Y-Tours

Don't Look Back in Anger!

Barret-Abzeichen
Wörner Bros. 1985 / 86

Das »Y« kommt übrigens vom großen Ypsilon im Nummernschild von Bundeswehrfahrzeugen.
Man hatte mich nicht groß gefragt und schon war ich 15 Monate dabei. Eine Erfahrung, die ich durchaus hätte missen können. Mit einem mehrfachen Bänderriss als bleibende Erinnerung. Und nicht zu vergessen einer Ehrenurkunde für treue Dienste.

Dort wo die akute Bleivergiftung inzwischen als Berufskrankheit gilt.

 

Dachschaden

Denn um meinen staatsbürgerlichen Pflichten nachzukommen, drückte ich mich nicht wie so viele vor der Einberufung zu 15 Monaten Wehrdienst (ich war auch mal jung und idealistisch ;-).
Und das obwohl man mit mir nicht viel anfangen konnte - »Schon wieder ein Abiturient! Was sollen wir mit dem machen?« - »Kennt sich mit Rechnen aus, kann er ja das Laub im Hof wegfegen.«
Der Kopf diente dort offensichtlich nur dazu, dass es nicht in den Hals regnet. Und regnete es Blei, hätte es einen Stahlhelm obendrauf gegeben.

Leopard II A4, frontal
Ich glaub fast Deine Kette ist platt.

Manöverschäden

Das Wintermanöver, im Bundeswehrjargon als freilaufende Übung bezeichnet, musste wegen der hohen Schäden vornehmlich aufgrund des Tauwetters, abgebrochen werden. Schäden schon auch an Landschaft und Straßen. Und vielleicht wurde auch für einen Bierkasten die eine oder andere alte Scheune »aus Versehen« geplättet. Allerdings wurden auch drei Kampfpanzer so ramponiert, dass bei einem sogar eine Delegation des Herstellers anreiste, weil so eine Beschädigung bisher als nicht vorstellbar gegolten hatte.

Strafkompanie

Da hatte ich beim Ausdauertraining ein Loch gefunden und mir die Außenbänder abgerissen. Und weil ich auf Befehl gleich weiter lief, dauerte die Genesung etwas. Deswegen hatte ich die Ehre danach an einer vierzehntägigen Sonderausbildung - Sicherung von Munitionslagern / Terrorabwehr teilzunehmen. Im Zug traf ich auf Leute, die betrunken zum Wachdienst erschienen waren, Waffen hatten klauen wollen, volltrunken die Tiere eines Tierparks befreit hatten (»Die Giraffen hatten sie gleich wieder, aber die Vögel!«), und noch anderes.
Ob beim Einbuddeln von Panzerminen bei Dauerfrost (unter Geräuschtarnung - also nicht fluchen), beim Reinigen danach und bei den Alarmübungen, eine eingeschworene Gemeinschaft. So motiviert, dass sogar der Kommandierende fassungslos war und fast schon mit Tränen der Rührung von weiteren Gasmaskendrills und Alarmübungen absah. Das wichtigste - die Freundschaft hatte Bestand.

Bell Ami

Die Zeit totschlagen in der Warteschleife im Bundeswehrkrankenhaus. Irgendwer versuchte verzweifelt durch die schwere Schwingtür zu kommen - vergeblich. Zeitweise konnte man eine amerikanisch Soldatin auf Unterarmkrücken sehen, wie sie sich mit ihrem Gipsfuß und Seesack abrackerte. Niemand begleitete sie, niemand half ihr. Da stand ich auf (Jopi Heesters und ich, die letzten Ritter...) und humpelte hin »Just a moment Ma'm, I'll support you.«, nahm ihr den Seesack ab und hielt ihr die Tür auf. Vor ein paar Wochen war ich genauso unterwegs gewesen und heilfroh als mich hilfreiche Hände in einen Zug hievten. Nun eskortierte ich die Kollegin (aus der Hauptverwaltung ;-) sicherheitshalber durch den Flur und die Portaltreppe des Krankenhauses hinunter, wo bereits ein Jeep auf sie wartete. Sie bedankte sich erschöpft und erleichtert. Und auch ich war zufrieden - jeden Tag eine gute Tat. Auffallend - danach grüßten mich amerikanische Soldaten als wäre ich ein (höherer) Offizier.

Nur für Offiziere!

Durstig, nach einem ganzen Tag bei flirrender Hitze mit einem Schälchen gesalzenen Tees abgespeist, schleppte sich das kleine Häufchen abends abgekämpft ins Sammellager des Standortübungsplatzes zurück. Dabei passierte es die Offizierszelte und stieß im Gebüsch auf zwei Küchenbullen mit einem 50 Liter Fass Fruchtsaft. Satt gelbes Orangensaftkonzentrat, nicht die bis zur Unkenntlichkeit verdünnte, Urin farbene Plörre, wie wir sie immer vorgesetzt bekamen.
Zuerst waren die beiden uneinsichtig und bestanden darauf ihren Auftrag auszuführen und das fast volle Fass wegzukippen. Doch durch eine überzeugende und zwingend vorgebrachte Argumentationskette, der sie sich nicht verschließen konnten, ließen sie sich dazu bewegen uns die Entsorgung zu überlassen. Kaum waren die Sturmgewehre also wieder geschultert, tranken wir, dass nichts übrig blieb und uns der Saft auf dem weiteren Weg gelegentlich aus der Nase troff.

Der Zug des Schweigens

Doch mal wieder Wochenend-/Feiertagsdienst, um die Ausfallzeit als Heimkranker abzubüßen. Diesmal an Weihnachten. Dann nix wie weg und wegen des feierlichen Anlasses dann gleich in Ausgehuniform nebst schwarzem Barett und müdem, grimmigen Gesicht zum Bahnhof. So haben die Lieben daheim auch was davon. Irgendwer hat mal gesagt, die Uniform sei das Hochzeitskleid des Menschen Männchens. Nun ja - vor allem wirkt sie auf Großmütter. Auch gut.
Im Wagon sitzen einige ältere Leute, es ist nicht übermäßig voll. Irgendwie habe ich den Eindruck es ist gespenstisch still. Keine Gespräche. Seltsam. Echt, die ganze knappe Stunde bis ich aufstehe und zum Ausgang gehe - nichts. Dann auf einmal gewisperte Laute auf Tschechisch. Ist ja auch der Prag-Express. Die bewussten zwölf Jahre waren doch kein Fliegenschiss in der Geschichte.

Leopard II A4 Warteschlange
Formation »Schlange stehen für den Frieden«

Die Stiefel des Grauens

Doch eh klar, wieder Wochenenddienst. Mit Sack und Pack den überraschend vollen Zug geentert und die Kampfstiefel im Gepäcknetz verstaut. Die vorwiegend jungen Leute - so wie ich - fahren nach Wackersdorf, um gegen den Bau der Wiederaufbereitungsanlage zu demonstrieren. Ich werde gefragt, ob ich auch zur Demo fahre. In dem Moment rumpelt der Zug über eine Weiche und die Kampfstiefel purzeln aus ihrem Beutel mitten auf den Boden. Schweigen. Schlagartig scheint es im Abteil um einige Grad kälter zu werden. »Nein nicht Polizei, zur Bundeswehr«. Allseitige Erleichterung. Die Bundeswehr dient der Entspannung.

Die Eispiraten

Draußen im Wintermanöver blieben die Kranken im Barackenlager des Truppenübungsplatzes allein zurück. Zusammen mit einem frisch an den Mandeln operierten Kameraden machte ich mich über die Kompaniebaracke her bis sie spiegelte und uns das Wasser nur so herunter lief.
Gerüchteweise hatten wir vernommen, dass in irgendeinem Nachbarblock Duschräume wären. Abends gegen sieben Uhr stapften wir durch den Schnee los. Aus dunklen Winkeln stießen einige wild vermummte Gestalten von anderen Kompanien zu uns. Auf Holz-, äh, Gipsbeinen humpelnd, mit Augenklappe, am Arm- oder Kopf verbunden oder mit einem anderen Handicap.
Ein gutes Dutzend Leute stellte dann fest, dass der Waschraum zwar offen war, Heizung und Warmwasser aber abgestellt waren. Was schreckt das? - Wir haben alle geduscht (mit Müllbeuteln über den verletzten Partien) und hatten einen Heidenspaß, trotz des wirklich fast eiskalten Wassers. Als wir uns trennten, verabredeten wir uns gleich für den nächsten Abend.

Verleihnix

Der Dienst für einen Reparatureinsatz führte in der Kaserne an ölverschmierten, verzweifelt an einem Panzer schuftenden Gestalten einer anderen Kompanie vorbei. Ihnen fehlte es an passendem Werkzeug, das ich allerdings dabei hatte. Trotz des strengen Verleihverbots griff ich in meinen Werkzeugkasten, mit der Bitte das Werkzeug danach in einer Ecke versteckt zu deponieren, zum Mitnehmen auf dem Rückweg.
Zwischenzeitlich kurz mal in der Werkstatt zurück, herrschte helle Aufregung um meine Person. Der Hauptmann der Nachbarkompanie war da gewesen, hatte mein Werkzeug vorbei gebracht und war voll des Lobes. Später hat er sich auch noch persönlich bedankt. Ich hätte ihn fast nicht wiedererkannt - er war der Reparateur, der am meisten mit Öl verschmiert gewesen war und am tiefsten in den Eingeweiden gewühlt hatte.

Lied Gut

Den Weg von der Unterkunft zur Werkstatt ging es allzu oft mit Marsch und Gesang. Die sehr begrenzte Liedauswahl ließ entweder die Wildgänse als graues Heer durch die Nacht rauschen oder aber den Panzer zum ehernen Grab werden. (Hehres Kulturgut also, dem schon mein Vater in der HJ ein Lied hatte singen können.)
Als das Ritual »Ein Lied! - Ein Lied [...] - Drei - Vier« also wieder einmal durchlief, war eine Stimme schneller. Und sofort hoben raue Männerkehlen voller Inbrunst in Zugstärke mit Wolfgang Ambros' Hymnus an: »Am Freitag auf'd Nacht montier i die Schi aaf mei Auto...«.

Leopard II A4, seitlich
Schuss langsam kommen lassen!

Wünsch Dir was!

Das nächtliches Panzerschießen auf dem Truppenübungsplatz. Ein Kampfpanzer Leopard II ist zum Munitionsfassen zurückgefahren. Jetzt soll er wieder vor zum Schießstand. Eine größere Gruppe Soldaten macht ihm Platz. Da, mit der Kanone in Ladestellung noch steil nach oben gefahren, löst sich plötzlich mit infernalischem Getöse ein Schuss. Am Nachthimmel zieht die Leuchtspur der 120 mm Granate ihre Bahn wie eine Sternschnuppe. Schaurig schön. Ein Unteroffizier neben mir trocken: »Die fliegt zu den Amerikanern. Wenn wir jetzt keinen Anruf bekommen, hat es keiner bemerkt - oder aber - es ist ein Volltreffer.«. Wir haben jedenfalls nichts mehr gehört und sind es auch bestimmt nicht gewesen. (Und in der Zeitung stand auch nichts darüber.)

Ente gut, alles gut

Des nachts Alarm auf der Wache. Zwölf Mann reiben sich Schlaf und Müdigkeit aus den Augen, krallen sich ihre Sturmgewehre, Magazin rein, fertig laden und ab durchs Fenster ins Gebüsch.
Hinter einem Betonblock liegend Blick auf die Zufahrt. An der Schranke steht ein gelber 2CV. Entsichern und anvisieren. Der Wagen wackelt, rein sehen kann man nicht. Man kann Aufkleber und Parolen erkennen. Umschalten auf Dauerfeuer. Plötzlich öffnet sich die Beifahrertür, der Zeigefinger sucht den Druckpunkt. Ein Uniformierter quält sich aus der Tür, ein zweiter folgt. Die Gesichter sind bekannt.
Überrascht blicken sie in die Gewehrläufe. »Hallo, keine Panik, wir haben den Bus verpasst und die beiden Studentinnen hier haben uns mitgenommen.«. Wie zur Bestätigung schält sich noch eine Blondine aus dem Wagen und verabschieden sich mit einem Küsschen. Die Fahrerin winkt dazu aus dem Fenster »Wir fahren dann weiter zur Demo nach Wackersdorf. Tschüss.«.

 

Die [TOUR] führt zum modernen Projekt-Management, einem gespielten Witz.