In der Farm der Tiere zu Hause
Villa Kunterbunt
30 Quadratmeter entsiegelte Einfahrt: Herzlich willkommen!
Das klingt zwar nach dem Buch Animal Farm von George Orwell, hat aber nichts mit ihm gemeinsam. Der vergleichsweise naturnahe Garten in Stadtrandlage bietet zahlreichen Arten Unterschlupf und Auskommen. Feuchtbiotope in der Nachbarschaft und eigene Vogeltränken werten den Lebensraum auf und bieten selbst Amphibien ein Auskommen. Den sonnigen, sandigen Südwesthang wissen Zauneidechsen zu schätzen. Wo Eidechsen sind, sind auch Blindschleichen nicht fern. Nicht nur viele Kleintiere und Vögel kommen auf Besuch oder leben hier, sondern auch Säugetiere wie Eichhörnchen und Igel.
Ringelnatter - keine Kreuzotter
Daneben finden sich sogar »Exoten« ein. Wie
beispielsweise Hornissen, Kröten, Kreuzottern, Schwarzspechte
oder bei der Winterfütterung auch schon einmal zehn(!) Fasane
gleichzeitig.
Ein Blick aus dem Fenster - gar mit dem Fernglas - ist oft
wesentlich interessanter als Fernsehen.
Die Tiere sind mehr oder weniger mit dem Menschen vertraut. Man kommt miteinander aus oder geht sich einfach aus dem Weg. Ist die Beziehung etabliert, geht sie schnell über die Nutzung des Futterangebot oder die Einschätzung »größtenteils harmlos« hinaus. Oft baut sich ein freundschaftliches Vertrauensverhältnis auf, das selbst direkte Kommunikation einschließt.
Da ist es einleuchtend: Ich brauche nicht in den Tiergarten zu gehen - der Tiergarten kommt zu mir.
Inhaltsverzeichnis
Die Besucher
Die weiteren Tiergeschichten aus der näheren freien
Wildbahn -
Farm Plus Erweiterung:
Wasserträger
Die frisch bepflanzte Mauer gießend hatte ich
einige Eidechsen verscheucht. Am nächsten Abend wieder
Rascheln als ich bereits wieder ging. Am dritte Abend erwarteten
sechs Eidechsen die Getränkelieferung. Ohne Scheu leckten sie
die Wassertropfen von den Blättern und an den Folgeabenden
tranken sie aus den Pfützen, die ich direkt vor ihnen anlegt
hatte. Und von Hand füttern funktionierte auch.
Mehr Wasser: Über mehrere Jahre war ein Paar Grasfrösche
im Garten, selten mehr als einen Meter voneinander getrennt. An
heißen Tagen suchten sie Kühlung in der frisch
gefüllten Vogeltränke und ließen sich fast
anfassen.
Feen Vorhang
Die Brutpflege der Großen Zitterspinne zu
beobachten ist toll. Die Mutterspinne bewacht zunächst den
Eikokon und später die Jungspinnen für mehrere Tage. Gibt
man ihr ein Beutetier ins Netz, steigt sie mit größter
Vorsicht über die Kinder.
Einmal machten es sich die Jungtiere zunächst auf einer
Leuchtstoffröhre bequem. Jedes Mal, wenn sie warm wurde,
seilten sie sich zu Dutzend nebeneinander entsprechend weit ab. Es
sah wie ein hauchzarter Vorhang aus. Wurde die Lampe dann nach dem
Abschalten wieder kühler, kletterten sie schrittweise wieder
hoch.
Vorgegart
Die Igitt-Viecher auch noch füttern? Beim
Rundgang im Garten entdeckte ich das Netz einer Winkelspinne in
einer Trockenmauer. Mit einem zittrigen Grashalm gelang es die fast
ausgewachsene Spinne (ca. Kaffeetassendurchmesser) aus der
Wohnröhre locken. Mehr noch, sie folgte dem Luftzug bis zum
Netzrand und angelte ihm mit den Beinen nach. Da hatte jemand
Hunger! Also lies ich mich von ein paar Stechmücken anfliegen,
schon hatte ich Futter. Ich beugte mich mit den Mücken auf der
Hand zum Netz hinab und schon kam sie mir entgegen. Vom Netzrand
aus tastete sie nach der Hand und zog sich langsam auf die
Handfläche. Sie räumte gleich ein paar Mücken auf
einmal ab und zog sich gemächlich in die Wohnröhre
zurück. In der Folgezeit reagierte Charlotte auf ihren Namen
(d.h. die Vibration) und kam aus der Wohnhöhle und nahm mir
vorsichtig Mücken ab, die ich ihr zwischen den Fingerspitzen
anbot. Ich hielt sie über Charlottes Netz und sie stellte sich
hoch und stützte sich mit den Vorderbeinen an meinen Fingern
ab. Manche Zuschauer wurden dabei reichlich blass...
Einmal hatte ich dann ein paar Ameiseneier gefunden. Sie nahm
eines an (kam ja von mir ;-), wusste aber erst nichts damit
anzufangen. Für einige zehn Sekunden drehte sie es in den
Kieferzangen bis sie dann zustach. Danach schien sie regelrecht
verblüfft, denn das Essen war schon fertig! (Spinnen haben
keine Beißwerkzeuge, sondern injizieren Verdauungssekret mit
ihren Kieferzangen und saugen dann den Brei ein.)
Wespendusche
Terrassenbrunnen und Blaue Lagune, Erlebnisbad und
Wespendusche
Die kleinen Dinge sind es oft, die verblüffen. An einem Zierbrunnen holten sich Wespen Kühlwasser für ihr Nest unter dem heißen Ziegeldach. Die meisten landeten am Rand und krabbelten zum Wasser, während die Profis sich direkt auf der Wasseroberfläche niederließen. Einige Anfängerinnen rutschten oder purzelten aber erst einmal ins Wasser. So war ich besorgt, als ich am Abend eine Wespe um dem Abfluss herumbalangsieren sah, nicht dass sie weg gespült würde. Die Sorge erwies sich als völlig unbegründet - vorsichtig und gewissenhaft streckte sie nacheinander Hinterleib, Kopf, die Beine und jeden Flügel einzeln unter den Wasserfall und wusch sich ausgiebig. Von Tag zu Tag stieg die Zahl der Arbeiterinnen unter der Dusche.
Erlebnisbad
Der Solar-Terassenbrunnen erfreut sich allgemeiner Beliebtheit. Streunenden Katzen, durstigen Eichhörnchen und vermutlich auch Igeln sowie verschiedensten Vogelarten dient er als Quelle und letzteren auch als Bad. Die Blaumeisen sind geradezu vernarrt in ihn. Die kleinen Schalen bieten als Wirlpool wohl die richtige Größe und das fließende Wasser vermittelt Frische und dient gleich als Dusche. Da brauche ich mich nicht über Wasserverlust wundern.
Mit Bademeister
Die Blaumeisen haben sich inzwischen häuslich
eingerichtet. Als ich einmal vorbei wollte, flüchtete die
badende Blaumeise nicht etwa, sondern maulte mich aus ihrer Wanne
regelrecht an - »Musst Du jetzt stören? Du siehst doch
dass ich bade!«
- und ließ mich gut einen Schritt vor
ihr umkehren.
Normalerweise badet nur jeweils ein Vogel des
Paares, während der andere sichert. Inzwischen aber melden
sich die Pärchen bei mir zum gemeinsamen Bad an, wenn ich in
der benachbarten Leseecke schmökere, und überlassen mir
die Warnung vor Fressfeinden.
Die Vögel
Drossel, Meise, Fink und Star ... Die ganzen
Kulturfolger wie Mäuse, Amsel, Elster, Eichelhäher, Eichhörnchen,
Meisen (sechs Arten), Spechte und Rotkehlchen sind natürlich stark
vertreten. Speziell letztere werden sehr zutraulich. Na ja, auch
die jungen Kohlmeisen landen mitunter auf der Hand und lassen sich
füttern. Inzwischen haben sogar die Stieglitze in der Magnolie gebrütet.
Gerade mit den Buntspechten ist das auch so eine Sache. Ich kann
mich noch erinnern, dass sie fluchtartig den Garten verließen,
wenn man sich nur hinter dem Fenster bewegte hatte. Jetzt räumt man
Schnee und keine zwei Meter entfernt turnt ein Specht schreiend an
einem Baum herum: »Die Meisenknödel sind alle!
« Kaum
hatte man einen Knödel aufgehängt und dreht sich gerade
weg, schon klammerte sich der hungriger Specht dran. Auch Kleiber
und Baumläufer sind zu Gast.
Selbst Fledermäuse (Säugetiere, keine Vögel,
fliegen aber auch ;-) geben sich ein Stelldichein, schnell und
geschickt, die Schwalben der Nacht.
Auch im Garten: Königin der Nacht
Don't talk to strangers?
Doch, sie sprechen mit uns - auch wenn sich die Verhaltensforschung in der Vergangenheit damit schwer getan hat. Tiere beobachten uns, schätzen uns ein - offensichtlich jenseits von größtenteils harmlos - und finden uns der Kontaktaufnahme als würdig. Nicht nur, dass sie wissen wo es Futter gibt, oder dass jemand sie füttert. Auch über bloßes Betteln geht es hinaus. Durch die Jahre hatte ich schon wiederholt Aha-Erlebnisse. So flog eine Kohlmeise auf Kopfhöhe fast im Rüttelflug laut piepend an mir vorbei als ich die Schuppentüre zum Betreten öffnete. Eindeutig wollte der Vogel auf sich aufmerksam machen, dass er jetzt auf Futtersuche im Gebäude aus war und ich ihn nicht einschließen solle. Denn als ich dann auch nur was sagte, nicht einmal Anstalten machte den Schuppen wieder zu verlassen, düste der Vogel raus.
Geierwally
Die Kohlmeise hatte wohl Probleme mit der Mauser oder
war krank. Sie flog schwerfällig, da anscheinend Flugfedern
fehlten, der Erbsen große Kopf war sogar völlig kahl.
Alle scheuchten sie an der Futterstelle oder hackten gar auf ihr
herum. Eines Tages entdeckte ich sie mehre Meter entfernt in einem
Gebüsch und forderte sie mit einer einladenden Geste auf
heranzukommen. Fast augenblicklich flog sie zu mir her und wisperte
mich andauern »piep, piep, piep ...
« ganz leise
an. Keine handbreit von mir entfernt nahm sie die ausgelegten
Nusskrumen an. Und mit der Zeit wuchsen die Federn wieder nach.
Oachkatzlschwoaf
Die Nähe des Menschen bietet Schutz vor manchem Räuber.
Doch Altvögel sehen es dann nicht so gerne, dass man unmittelbar
neben dem Nistkasten steht. Eines Tages machte mich lautes
Schimpfen eines Kohlmeisen Pärchens auf ein schwarzes Eichhörnchen
aufmerksam, dass doch tatsächlich an ihrem Brutkasten hing und
herumfingerte. Ich pirschte mich heran und zupfte das Eichhörnchen
am Schwanz. Es ging ab wie eine Rakete! Danach sangen die
Meisen Eltern mich regelrecht an, so dass ich annehme, viel
hätte nicht mehr gefehlt und sie hätten mir aus Dankbarkeit
für die Unterstützung einen Wurm zugesteckt.
Ein paar Tage später sah ich wie das Kohlmeisen Männchen
sich vorsichtig an ein dösendes, rotes Eichhörnchen
heranpirschte und es am Schwanz zog.
Zeitweilige Hausgäste
Doch alles für die Katz:
Doch ab und zu schlägt die wissenschaftliche
Neugier oder die Hilfsbereitschaft zu. Dann gibt es intensiveren
Kontakt. Wer möchte nicht einmal die Metamorphose von
Fröschen hautnah miterleben? Oder wer lässt schon ein
hilfloses Junges elend zugrunde gehen?
Das ermöglicht die genauere Auseinandersetzung mit den
individuellen Verhaltensweisen und der differenzierten Interaktion
mit dem Menschen. Dabei kratzt es dann doch etwas am recht
mechanistischen Ansatz der traditionellen Verhaltensbiologie.
Ganz zu schweigen von den reinen Haustieren.
Wahre Tierliebe: Auf der Radtour eine austrocknende Pfütze mit Kaulquappen entdecken und sie in der Trinkwasserflasche bergen. Oder gleich wie meine Tante: Heimfahren, mit dem Wohnmobil zurückkommen und die Pfütze aus dem Trinkwasserbehälter auffüllen.
Diebische Elster
Die haben einen großen Vogel...
Das Findelkind wurde von einem Bekannten vorbei gebracht
und Hansi getauft. (Es ist nicht unüblich, dass junge Elstern das
Nest verlassen, obwohl sie noch nicht flügge sind. Sie werden von
den Altvögeln normalerweise weiter versorgt.) Das Elsterküken hatte
große Scheu vor Menschen und versuchte zu fliehen. Obwohl es
sichtlich erschöpft war, verweigerte es hartnäckig jegliche
Nahrungsaufnahme. Selbst Wasser nahm es nicht an.
Erst nach einiger Zeit, mit List und Tücke sowie etwas Gewalt
konnte ich ihm ein Hackfleischbällchen in den Schlund stopfen und
zum Schlucken zwingen. Das zweite Bällchen nahm Hansi dann schon
freiwillig und verlangte nach mehr.
Danach durfte er es sich für die Nacht auf der Lehne eines
Küchenstuhls gemütlich machen und verblüffte uns, weil er anfing
sich unruhig zu drehen und dabei schrie, genauer jammerte - junge Elstern
sind stubenrein! Dankbar nahm er ein Stück hingehaltene Zeitung an
und schlief dann ein.
Hansi durfte sich frei bewegen und schlief auf der Lehne eines
Küchenstuhls. Im Haus oder Garten lief er einem nach. Das
beliebteste Spiel war Steine drehen. Ich wälzte Steine um, um an
artgerechte Nahrung zu kommen. Hansi bereitete es großen Spaß. Auch
wenn er offensichtlich keinen Hunger mehr hatte, blickte er
neugierig unter jeden Stein, den ich umwälzte.
Er zeigte keinerlei Drang zum Fliegen, als wüsste er nicht, dass
er das können muss. Auch als er eigentlich schon hätte flügge
sein müssen. Erst als ich ihn sanft in die Luft warf, fing er an zu
flattern. Zunächst hatte er sich immer höher in die Bäume
geflüchtet und verbrachte jammernd die ganze Nacht dort. Am
nächsten Vormittag versuchte er das offene Küchenfenster im ersten
Stock direkt anzufliegen. Zu hoch! Aus der Dachrinne rettete er
sich wieder auf einen Baum. Zweiter Versuch. Zu tief! Wieder über
eine Dachrinne zurück in die Bäume. Erst als ich von der Schule
nach Hause kam, fasste er sich ein Herz. Von Ast zu Ast und Baum zu
Baum turnte er nach unten und landete schließlich über einen
Sonnenschirm schlitternd mit einem Purzelbaum auf dem Rasen, hatte
aber Angst vor einer Bestrafung. Nachdem er sich beruhigt hatte und
für drei Tage gefuttert und getrunken hatte schlief er dann einen
ganzen Tag durch.
Selbst als er dann fliegen lernte, blieb er freiwillig hier. Er
schlief auf einer Wäscheleine im Keller, zu dem er über
ein Fenster freien Zugang hatte. Früh saß er am
Fensterbrett zur Küche und wartete, dass er zum
Frühstück eingelassen wurde. Danach begleitete er seine
Menschen zum Auto, in die Schule, zum Einkauf ... Er flog einem
bei Zuruf (oder auch so) auf die Schulter. Das muss man sich so
vorstellen: Plötzlich fällt ein großer
schwarz-weißer Vogel hoch aus dem Himmel, bremst im letzten
Moment ab, um butterweich auf der Schulter zu landen. Zuschauer
waren baff.
Tagsüber machte er Haus und Garten unsicher. Abends »erzählte«
er einem auf der Schulter sitzend was alles tagsüber passiert
war.
Der Spieltrieb war sehr ausgeprägt. Dem schlafenden Opa stopfte er
mit Vorliebe glänzende Kieselsteinchen ins Ohr. Im Haus konnte er
sich an glitzerndem Bonbonpapier begeistern. Erst sah er ihm zu,
als ich es vom Tisch schnippte. Dann flog er damit auf einen Schrank
und ließ es zu Boden schweben. Das einzige was er klaute war Vaters
Pfeifenstopfer aus glänzendem Metall. Alles wertvolle und glänzende
hielten wir unter Verschluss.
Im Haus flog er allerdings eher selten, wenn dann aber
beeindruckend. Eigentlich gelten Elstern ja nicht als gute Flieger,
aber wenn er auf engstem Raum auf der Stelle oder gar rückwärts(!),
fast wie ein Kolibri schwebte, wollte man das nicht mehr so stehen lassen.
Auffällig war das soziale Verhalten. Dabei existiert eine Hemmung.
Nie näherte er sich so, dass der Schnabel auf das Gesicht oder gar
die Augen zielte. Zwanghaft drehte er den Kopf bei Unterschreitung
eines Mindestabstands zur Seite. (Deshalb wohl das Sprichwort: »Die
eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.«) Allerdings
ließ er es sich nicht nehmen die Zähne zu untersuchen -
vom vorsichtigen Schaben bis zum heftigen Klopfen. Er schien schwer
beeindruckt.
Und irgendwann riskierte ich einmal ein Auge als er zur sozialen
Körperpflege schritt: Offensichtlich liegt das ästhetische
Empfinden von Elstern und Menschen nicht weit auseinander. Die
Haare in der Nase hat er einfach ausgerissen. Abstehende Haare der
Augenbraue hat er mit Zunge und Schnabelkante in Form
gebogen. Waren sie zu widerspenstig wurden sie ausgezupft. Die
Wimpern wurden mit äußerster Sorgfalt entflochten und parallel
ausgerichtet. Von ihnen hat er nie eine ausgerissen.
Nach einigen Wochen kamen zwei ausgewachsene Elstern in den Garten
und rückten von Tag zu Tag vorsichtig immer näher. Irgendwie haben
sie ihm klar gemacht, dass er eigentlich zu ihnen gehörte.
Schließlich ist er dann mit ihnen losgezogen. Das scheint nicht
unüblich zu sein. Ich habe schon davon gehört und gelesen, dass
erwachsene Elstern Jungvögel aus der menschlichen Obhut
abholen.
Eigentlich waren wir ganz froh, denn vor Menschen zeigte er
keinerlei Scheu, gab in der Nachbarschaft schon mal den
(uneingeladenen) Überraschungs-Partygast und wurde sogar einmal
eingefangen. Ab und zu hat er dann noch vorbei geschaut und
anscheinend die erwachsenen Elstern von unserer Harmlosigkeit
überzeugte. Denn auch sie kamen mit heran.
Igel - Meckis und Mickis
Igel Mecki I tourt durchs Haus
Der Einfachheit halber hießen alle männlichen Igel Mecki
und alle weiblichen Micki.
Nur untergewichtige Tiere (unter ca. 500 g), die im späten Herbst
noch herum irrten und einen Winterschlaf kaum überstanden hätten,
wurden zur Überwinterung aufgenommen. Die meisten Igel, an die man
so kommt, sind allerdings krank oder haben Parasiten und Würmer.
Der Gang zum Tierarzt ist praktisch obligatorisch.
Die Überwinterung ist trotzdem noch heikel genug, darum ist in
verschiedenen Regionen die private Pflege untersagt. Wir sind auch
wieder davon abgekommen. Ganz wichtig noch: Keine unverdünnte Milch
geben, am besten gar keine!
Der erste Igel namens Mecki kam Mitte September zur Überwinterung
zu uns. Er wog nur 85 g. Zuerst igelte er sich ein, dann aber
fasste er Zutrauen. Er suchte regelrecht Anschluss. Da er sich frei
in der Wohnung bewegen durfte (mit Zeitung ausgelegt, Igel sind
nicht stubenrein!) lief Mecki einem nach und kuschelte sich bei
jeder sich bietenden Gelegenheit an einen. Er ließ sich auf den
Rücken drehen, den Bauch kraulen und biss einen vor Wonne dabei in
die Finger. In dieser Stellung ließ er sich auch gerne füttern.
Danach schlief er in der Armbeuge oder auf dem Schoß. Er hatte
keinerlei Scheu vor Menschen und stellte sich auf sie ein, z.B.
dadurch, dass er tagaktiv war.
Im zeitigen Frühjahr wurde er mit mehr als 1 100 g in
die Freiheit entlassen, blieb aber in der Nähe.
Die komplette Spannweite des Verhältnisses zum Menschen zeigte
eine Igeldame auf. Micki sah man eigentlich nur zweimal. Einmal als
sie von einer Hühnerfarm eingetroffen von Flöhen und Zecken befreit
wurde und dann als sie mit stattlichen 1 300 g frei
gelassen wurde. Dazwischen sah man nur ein Holzwolleknäuel, dass
sich über den Futternapf schob, schmatzte und sich nach einiger Zeit
wieder zurückzog.
Nur einmal rastete Micki aus: Als ich ihr ein Hühnerei
präsentierte ließ sie das Geräusch meiner Fingernägel
auf der Eierschale regelrecht wie einen Gummiball springen.
Offensichtlich war sie mit Eiern vertraut.
Rabiates Bambi
Eine Hand voll Reh
Der Notfall namens Rehlein kam als verwaistes Findelkind
zu meiner Tante. Seine Mutter war von einer Mähmaschine überfahren
worden.
Die Tante zog das geradezu winzige und hilflose Baby mit der
Flasche auf und es wurde völlig zahm. Es zeigte keinerlei Scheu
gegenüber Menschen. Auch mit den Katzen meiner Tante kam es
zurecht.
Zunächst durfte der Rehbock sich frei im Grundstück bewegen.
Nachdem er größer wurde rammte er einem gern mit wachsendem Druck
seinen Kopf und später seine Spießer in die Beine oder was sonst
noch im Weg war. Das war gar nicht so harmlos, denn man erkannte
die Gefährlichkeit der Situation nicht. Er kam gemessenen Schrittes
mit gesenktem Kopf auf einen zu, setzte an und drückte dann mit
aller Kraft. Ein typisches Verhalten, das auch Konrad Lorenz in
Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen
beschrieb.
Schließlich gab ihn die Tante in ein Freilandgehege ab. Sie
besuchte ihr Rehlein aber regelmäßig.
Sommerfütterung
Der viel zu kühle und nasse Juli machte es den Kohlmeisen
schwer ihre zweite Brut aufzuziehen. Das Elend war nicht mehr mit
anzusehen. Eine Handvoll Sonnenblumenkerne, ausgelegt auf dem
Verandatisch, sollten die völlig erschöpften Altvögel
unterstützen. Dankend wurden sie angenommen. Als die Jungvögel
ausflogen, brachten die Eltern sie zum Tisch mit. Nach einem kritischen
Blick auf die Menschen landeten sie neben einem, hüpften zu
den Kernen, schnappten sich einen und hackten ihn auf einem benachbarten
Baumzweig auf, soweit sie nicht noch gefüttert wurden. Die Altvögel
erkannten dabei, dass man die Kerne zum Aufmachen gut in den Maschen der
Tischdecke einklemmen konnte.
Der Imbissstand sprach sich herum. Ein paar Blaumeisen, zwei
Kleiber und einige Haubenmeisen kamen auch vorbei. Zwischenzeitlich
auch ein rotes und ein schwarzes Eichhörnchen und selbst zwei
Eichelhäher schauten sich um.
Am Morgen erwartete einen die ganze Vogelschar schon, wenn nicht
die Haubenmeisen sogar ins Haus flogen. Man brachte es fast gar
nicht übers Herz damit wieder aufzuhören.
Inzwischen hat sich die Sommerfütterung eingebürgert und auch
herumgesprochen. Auch bei Sumpfmeisen, Rotkehlchen,
Buchfinken und Spechten.
Bei Sommer- wie Winterfütterung belohnt einen der Anblick der gefiederten
Freunde reichlich, wenn sie wie Christbaumkugeln im Futterbaum
sitzen.
Der Umkehrer
Vorsicht - nur nicht die Hand beißen, die mich füttert!
Überhaupt keine Berührungsängste
Die Winterfütterung hatte die Eichhörnchen
Vertrauen schöpfen lassen. Während der Sommerfütterung
kam eines, Erik der Rote, schon ganz vorsichtig zum Tisch und nahm
noch vorsichtiger einem die Nuss aus den Fingern. Auch Röter
war schon fast so weit. Eines Tages lief er um die Hausecke, uns
genau entgegen. Vor Schreck machte er kehrt und sprang davon. Nach
drei Metern blieb er unvermittelt stehen, blickte über die
Schulter und sah uns Menschen an - aha, die Nussspender,
größtenteils harmlos
. Er drehte sich um, dann lief
er uns fast über die Füße und wartete auf dem Tisch
auf die Nuss, die er nun ebenfalls aus den Fingern nahm.
Nach zahlreichen Fütterungen kann man schon fast von einem
freundschaftlichen Verhältnis sprechen. Als ich von heftigem
Ischias geplagt nahezu unbeweglich auf dem Gartenstuhl saß und
nicht füttern konnte, kam er langsam zu mir her, kletterte am
Stuhlbein hoch und setzte sich ruhig(!) auf meinem Schoss. Nach
einem langen und forschenden Blick ins Gesicht - »Was ist
los, Großer?
« - machte er sich vorsichtig wieder fort.
Sonntagsnachmittagsstimmung. In einer Astgabel vielleicht
zweieinhalb Meter über mir machte es sich ein Eichhörnchen
nach einem Nussimbiss bequem für ein Nickerchen.
Gemütlich räkelte ich mich im Gartenstuhl, um in einem Buch
zu schmökern. Auf einmal ein deutlich vernehmliches
»Hu Hu?
«. Ich blickte nach oben und sah den Kopf
des Eichhörnchens vom Ast herab mir zunicken »Hui ui
ui! Huju ui jui ujuu...
«.
Inzwischen, binnen weniger eines Jahres, ist mindestens ein
halbes Dutzend Eichhörnchen praktisch handzahm. Und über
den Daumen sind bestimmt fünfzehn Eichhörnchen zu Gast.
Wer ist hier der Boss?
Ich bin der Micky. Und das ist mein Zweit-Dahoam!
Die Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen. Da
sollte man eigentlich meinen, die Fütterung machts. Aber das
Zahmwerden funktioniert auch durch den Respekt dem man den
»wilden Kreaturen« entgegenbringt. Wenn man sie nicht
bedrängt, merkt man schnell, dass die menschliche Anwesenheit
durchaus geschätzt wird. Immerhin hält man Fressfeinde
wie z.B. Greifvögel fern und vermittelt Geborgenheit, sprich
einen sicheren Ruhe- und Schlafplatz. Wenn man mit lautem
Händeklatschen vor einer Katze auf der Pirsch warnt, kann es
schon passieren, dass das Eichhörnchen, das sich sonst zum
Füttern nicht ganz heranwagt, einem (dankbar?) um die
Füße streicht, obwohl es mühelos einen Bogen um
einen hätte schlagen können.
Generell wird vor Katzen von allen gewarnt und fremde Sprachen
offensichtlich artübergreifend verstanden, in der
Jägersprache als »Hassen auf den Feind« bezeichnet.
Ich bin weder Jäger, noch werde ich in der Regel beschimpft.
Was passiert also, wenn die Katze sich auf meinen Schoß legt?
Bestimmt fünfzig Meter kann man den Lauf- oder besser
Schleichweg der Katze verfolgen. Ist sie schließlich bei mir,
findet das Geschrei und Gezeter ein Ende. Und wenn sie dann auf
meinen Schoß liegt, wird von mir offensichtlich erwartet, dass
ich die Katze unter Kontrolle halte. Denn dann kommt man zum
Fressen locker näher als zwei Meter heran. Auch eine Art von
Respekt.
Die [TOUR] liefert ein paar Einblicke in die Katzenfarm.